Forum: Ausbildung, Studium & Beruf Verantwortung des Entwicklers bei Geräten in kritischen Anwendungen


You were forwarded to this site from EmbDev.net. Back to EmbDev.net
von Ratsuchi (Gast)


Lesenswert?

Es geht in einem aktuellen Fall um die Mitverantwortung eines 
angestellten Entwicklers bei einem Gerät der Medizintechnik, welches 
einen Personenschaden verursacht hat / haben soll. Der Schaden ist nicht 
völlig zu beheben und führt zu einer Klage gegen den Hersteller wegen 
Körperverletzung und Schadenersatz.

Simultan ermittelt aber auch der Staatsanwalt wegen unzureichender 
Tests, Dokumentation, nicht normenkonformer Entwicklung und somit 
eventueller Mitverantwortung von Entwicklern, die Kenntnis von der 
Gefahr gehabt haben oder hätten haben können.

Wer kennt Präzendenzfälle?

Mir sind einige Fälle bekannt, wo auch Entwickler zur Verantwortung 
gezogen wurden. Einer ist angeblich im Knast gelandet.

Wie weit geht die Haftung? Eigentlich herrscht doch die Meinung, als 
Angestellter sei man von der Haftung befreit - einmal davon ausgehend, 
dass er sich an die Regeln gehalten und sie nicht grob fahrlässig 
verletzt hat.

von fill_out (Gast)


Lesenswert?


von genervt (Gast)


Lesenswert?

Kauf dir einen Anwalt, hier im Forum bringt das nix.

von Entwickler (Gast)


Lesenswert?

Ich führe schon seit Jahren ein handschriftliches, fortlaufendes 
"Gesprächsnotizlogbuch".

Da kommt alles rein, was im dreckigen Alltag an Verantwortung ignoriert 
wird. Da steht schön drin, wann ich wen auf welchen Missstand 
hingewiesen habe.

Dieses Buch kenne nur ich und steht bei mir Zuhause. Sollte jemals 
mein(e) Arbeitgeber einen Sündenbock suchen, kann ich es bei Bedarf 
hervorzaubern, wenn es juristisch sinnvoll ist.

Klar, in diesem Fall nützt es nichts mehr. Aber die Linie ist klar: 
Alles auf die Firma/Vorgesetzten abschieben. Man hat ja auch genug 
Insider-Wissen um noch mehr von dem täglichen Wahnsinn hochkochen zu 
lassen. Ein guter Anwalt sollte das den Firmenanwälten in einem 
Gesprächstermin verklausuliert erklären können.

Und, alles was es zu unterschreiben gibt: Schön an den Vorgesetzten 
delegieren, schließlich ist er wichtig und soll sich auch so fühlen ;-)

von Antimedial (Gast)


Lesenswert?

Ratsuchi schrieb:
> Simultan ermittelt aber auch der Staatsanwalt wegen unzureichender
> Tests, Dokumentation, nicht normenkonformer Entwicklung und somit
> eventueller Mitverantwortung von Entwicklern, die Kenntnis von der
> Gefahr gehabt haben oder hätten haben können.

Wenn man eine Gefahr kannte und sie nicht abgestellt hat, ist man 
natürlich zurecht dran. Auch als Angestellter. Das spielt für das 
Strafrecht nämlich keine Rolle. Wobei der Vorgesetzte normalerweise 
immer eine Mitverantwortung trägt.

Unzureichende Test und Dokumentation dürfte eigentlich nicht vorkommen. 
Da sind viele Leute im Genehmigungsprozess (normalerweise mindestens ein 
Vorgesetzter, einer aus dem Qualitätsmanagement und ein 
Normenbeauftragter) beteiligt, sowohl innerbetrieblich als auch beim 
TÜV. Wenn der TÜV das Zertifikat unter Auflagen "Test XY sind noch 
durchzuführen" ausstellt und diese Tests sind nicht erledigt oder 
negativ verlaufen, dann ist man auch wieder zurecht dran.

von Marx W. (Gast)


Lesenswert?

Ratsuchi schrieb:
> Mir sind einige Fälle bekannt, wo auch Entwickler zur Verantwortung
> gezogen wurden. Einer ist angeblich im Knast gelandet.

Ja, und?

Gibt genügend LKW-Fahrer die sitzen auch im Knast!

von lovos (Gast)


Lesenswert?

Once the rockets are up,
who cares when they come down,
that's not my department,
says Mr. Wernherr von Braun.
(CCC 2012)

von Jeje (Gast)


Lesenswert?

Entwickler schrieb:
> Ich führe schon seit Jahren ein handschriftliches, fortlaufendes
> "Gesprächsnotizlogbuch".
>
> Da kommt alles rein, was im dreckigen Alltag an Verantwortung ignoriert
> wird. Da steht schön drin, wann ich wen auf welchen Missstand
> hingewiesen habe.
>
> Dieses Buch kenne nur ich und steht bei mir Zuhause. Sollte jemals
> mein(e) Arbeitgeber einen Sündenbock suchen, kann ich es bei Bedarf
> hervorzaubern, wenn es juristisch sinnvoll ist.

Interessante Idee aber juristisch nicht verwertbar , das was du dort 
drin stehen hast wird eh weggeleugnet.

von MoD - Master of Desaster (Gast)


Lesenswert?

Ein passender FAZ-Artikel zu dem Thema:

Ingenieurshaftung
„Es reicht nicht, die technischen Normen zu kennen“

http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/recht-und-gehalt/ingenieurshaftung-es-reicht-nicht-die-technischen-normen-zu-kennen-1436945.html

von Cha-woma M. (Firma: --------------) (cha-ar-196)


Lesenswert?

Antimedial schrieb:
> Wenn der TÜV das Zertifikat unter Auflagen "Test XY sind noch
> durchzuführen" ausstellt und diese Tests sind nicht erledigt oder
> negativ verlaufen, dann ist man auch wieder zurecht dran.
Vergiß dass!
aus wiki:
"Das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) nimmt in Deutschland Regelungen 
zu den Sicherheitsanforderungen von technischen Arbeitsmitteln und 
Verbraucherprodukten vor. Es ersetzt seit 1. Dezember 2011 das Geräte- 
und Produktsicherheitsgesetz (GPSG)"

Und darin ist der Hersteller der letzendlich Verantwortliche.
Alles was da an Zertifizierer sich an dem Teil wichtig machen, ist nicht 
in der Verantwortung!

Die Gutachter hatten halt die bessere Lobby.

von Antimedial (Gast)


Lesenswert?

Cha-woma M. schrieb:
> Und darin ist der Hersteller der letzendlich Verantwortliche.
> Alles was da an Zertifizierer sich an dem Teil wichtig machen, ist nicht
> in der Verantwortung!

Dem widerspreche ich auch nicht. Allerdings ist der TÜV schon sehr 
gründlich und daher kann unzureichende Test und Doku nicht vorkommen, 
wenn man schön brav alles macht, was der Prüfer verlangt (bzw. 
"vorschlägt"). Ansonsten ist man wirklich selbst Schuld, weil man dann 
mit Absicht schlampig war.

von Ohno (Gast)


Lesenswert?

Gehts noch? schrieb im Beitrag #3961912:
> Kommt drauf an ob man die Befugnis als Weisungsempfänger hat, eine
> Gefahr zu beseitigen.

Gehts noch? Eine Information an den Kollegen und den Vorgesetzten per 
e-mail und schon passiert etwas.


Gehts noch? schrieb im Beitrag #3961912:
> Sofern es ein QM-System gibt. Gewöhnlich richtet man so was für den
> Fertigungsprozess ein. Für die Entwicklung wäre das kaum brauchbar,
> oder wie will man einer Idee Qualität aufzwingen?

Noch nie etwas von FMEA gehört?
QM/QS zieht sich durch alle Abteilungen. Auch der Einkauf ist z. B. 
betroffen, siehe Lieferantenbewertung.
Deine Vorstellungen entsprechen nicht der Realität, so denkt ein Laie.

von lkakw4ö4 (Gast)


Lesenswert?

MoD - Master of Desaster schrieb:
> „Es reicht nicht, die technischen Normen zu kennen“

Normen sind keine Gesetze

von MoD - Master of Desaster (Gast)


Lesenswert?

lkakw4ö4 schrieb:
> Normen sind keine Gesetze

Du musst aber sehr gut erklären können, wieso du entsprechende Normen 
(anerkannte Regeln der Technik) nicht eingehalten hast, falls etwas 
passiert.

Stichworte:
Stand der Technik
Stand der Wissenschaft (und Technik)
Produktions- und
Konstruktionsverantwortung

Schwierig wird es, wenn es für eine neue Entwicklung keine Normen gibt.


Machen wir es mal einfach:
Wie viele Not-Aus-Schalter braucht ein eingezäuntes Prüffeld ohne 
zwangsläufigen Berührungsschutz?
Was ist ausreichend?
Was heißt unverzüglich zu erkennen?
Ales kein Problem, solange keiner kleben bleibt.

von Antimedial (Gast)


Lesenswert?

Gehts noch? schrieb im Beitrag #3961912:
> Kommt drauf an ob man die Befugnis als Weisungsempfänger hat, eine
> Gefahr zu beseitigen. Die Freiheiten eines Angestellten haben Grenzen.

Auch wenn man nicht weisungsbefugt ist, muss man darauf hinweisen. Wenn 
man das getan hat und der Vorgesetzte ignoriert es, ist man 
wahrscheinlich aus der Pflicht und der Chef hat ein dickes Problem.

Gehts noch? schrieb im Beitrag #3961912:
> Kommt drauf an ob es dafür Vorschriften gibt.

Produkthaftungsgesetz. Außerdem beziehen zumindest alle mir bekannten 
Normen die Dokumentation und den Test mit ein. Eigentlich beschreiben 
die meisten Produktnormen sehr ausführlich wie man das Produkt zu testen 
hat.

Gehts noch? schrieb im Beitrag #3961912:
> Sofern es ein QM-System gibt. Gewöhnlich richtet man so was für den
> Fertigungsprozess ein. Für die Entwicklung wäre das kaum brauchbar,
> oder wie will man einer Idee Qualität aufzwingen?

Natürlich ist QM auch ein wesentliches Thema in der Produktentwicklung. 
FMEA wurde ja schon erwähnt. Außerdem ist bei sicherheitsrelevanten 
Komponenten gefordert, dass der Konformitätstest von einer unabhängigen 
Stelle durchgeführt wird und nicht von der Entwicklung. Kleine Firmen 
lassen das in einem akkreditierten Prüflabor durchführen, größere Firmen 
haben eigene Abteilungen. Und die ist oft dem Qualitätsmanagement 
zugeordnet.

von müller (Gast)


Lesenswert?

Man entwickelt immer nach bestem Wissen und Gewissen.
Man ist nicht fehlerfrei. Deswegen gibt es ja in der Medizintechnik 
entsprechende Normen nach denen Entwickelt werden muss und 
vorgeschriebene Prüfungen um menschliche Fehler zu mnimieren.

Wenn man natürlich wissentlich Fehlverhalten des Gerätes verschweigt 
dann ist das nur dumm und verantwortungslos. Das sollte aber in diversen 
Tests aufgespürt werden. Hier würde ich das Unternehmen in der Pflicht 
sehen.

Natürlich versucht man das immer auf das schwächste Glied in der Kette 
abzuwälzen. Ein Arbeitgeber, der was auf sich hält, schützt seinen 
Mitarbeiter allerdings.

Ich persönlich sehe zuerst die Zulassungsbehörde in der Pflicht und dann 
den Hersteller. Der Hersteller / Entwicklungsunternehmer muss seine 
Mitarbeiter so schulen, das diese Qualität abliefern.

Zu bestrafen wäre das Unternehmen. Es kann nicht sein, dass junge, 
unerfahrene Entwickler kritische Produkte entwickeln da das Unternehmen 
an der falschen Stelle Geld sparen tut indem es günstige und willige 
unerfahrene Entwickler an die Sache lässt.

Wenns supi lief, sahnt das Unternehmen die Kohle ein und wenns 
Schadensersatz gibt, dann ist es der Entwickler, der dafür geradestehen 
soll?? So geht es ja nicht. Obwohl das manch Unternehmer gerne so hätte.

von Cha-woma M. (Firma: --------------) (cha-ar-196)


Lesenswert?

müller schrieb:
> Ein Arbeitgeber, der was auf sich hält, schützt seinen
> Mitarbeiter allerdings.

HöHöHöHöHö!

von WehOhWeh (Gast)


Lesenswert?

müller schrieb:
> Man entwickelt immer nach bestem Wissen und Gewissen.
> Man ist nicht fehlerfrei. Deswegen gibt es ja in der Medizintechnik
> entsprechende Normen nach denen Entwickelt werden muss und
> vorgeschriebene Prüfungen um menschliche Fehler zu mnimieren.

Wer kennt schon die Normen zu 100%, wer liest die schon? Geschweige 
denn, dass man die Zeit für die Einhaltung des Enwicklungsprozesses 
bekommt. Meist wird ein Gerät husch pfusch zusammengefrickelt und dann 
irgendwie durch den Zertifizierungsprozess geboxt. Das wird schon Monate 
verkauft, bevor der TÜV-Prüfer da mal draufschaut... (natürlich ohne 
Papperl, aber das merkt der Kunde eh nicht).

Der TÜV prüft auch nicht so genau, wie viele hier glauben. Man kann dem 
TÜV viel erzählen. Die Prüfer die ich getroffen habe sind schon 
kompetent gewesen und haben ihre Arbeit recht gewissenhaft gemacht, aber 
die haben nicht einmal genug Zeit um die ganze Dokumentation zu lesen.

Ich habe daher einige Abneigung gegen Sicherheitstechnik entwickelt (die 
ähnlich der Medizintechnik sein dürfte) und deshalb sogar schon den Job 
gewechselt - in einen Bereich mit wenig Sicherheitskram :-) 
Ironischerweise arbeitet die neue Firma sehr gewissenhaft in dieser 
Hinsicht...

Meiner Meinung nach ist das alles Augenauswischerei, und bei 
Personenschäden haftet sowieso der Entwickler, weil alle darüber sich 
aus der Verantwortung ziehen werden. Ich habe nämlich noch nicht erlebt, 
dass einer die Normen wirklich sauber durchexerziert hätte. Das setzt 
der Staatsanwalt aber voraus, und der hat die Zeit, das zu nachzuprüfen. 
Im Gegensatz zum Entwickler.

von Pandur S. (jetztnicht)


Lesenswert?

Als Entwickler muss man natuerlich in Kenntnis fuer die Anwendung 
gesetzt werden. Ein Produkt fuer eine Anwendung entwickeln und fuer 
einen Andere verkaufen ist vielleicht ijn der Pharma ueblich. Geht aber 
mit Elektronik nicht, auch wenn gewisse Leute das so sehen moechten. 
Denn der Entwickler muss die moeglichen Fehlerfaelle vorwegnehmen und 
einbeziehen. Deswegen macht man erst mal einen Prototypen um die 
Funktionalitaet zu testen. Dort faellt dann auf, wie das Produkt 
angewendet wird, welches die moeglichen Fehlerquellen im ganzen Prozess 
sind, und was fuer Vorkehrungen man machen koennte. Daraus ergibt sich 
dann zB ein neuer Prototyp, oder die Nullserie. Wenn der Sprung vom 
ersten Prototypen zur Nullserie zu gross ist, macht man eben nochmals 
einen. Eine spaetere Aenderung ist immer teurer. Mit der Nullserie 
erprobt man die Serientauglichkeit eines Produktes. Koennen wir so in 
die Fertigung?

Ich bin jetzt am 4. Prototypen fuer eine "eigentlich einfache" Regelung 
einer nicht elektrischen Groesse. Der erste Sensor war leider nichts, 
wurde immer wieder verzoegert, hat die Spezifikationen nicht erfuellt, 
war selbst noch ein Prototyp. Das merketn wir aber erst beim zweiten 
Prototypen, wir hatten den Fehler bei uns gesucht. Der naechste Sensor 
kam dann etwa hin. Die Montage ist aber nicht fertigbar.

Dabei muss man immer im Auge behalten... Das Gehaeuse ist ein 
Kuststoff/Metallgaehaeuse. die Speisung ist ein Schaltregler von (..). 
Die Leitungen gehen durch dieses(!) Umfeld, Sensoren und Aktoren sind 
so(!) montiert. Und nicht ploetzlich Betonindustriehalle durch 
Privatholzhaus, Kinderzimmer, oder so ersetzen.
Was geschieht, wenn der Sensor Unterbruch hat, Kabel vom Hamster 
durchgebissen, usw. Was macht der Aktor dann ? Der Aktor ist dann 
vielleicht ein Ventil am Wasser Netz, der Stall laeuft voll. Oder die 
Menge im Fass sind nur 20 Liter. Je nachdem muss man dann einen 
Kontrollsensor einplanen.

Bitte melde dich an um einen Beitrag zu schreiben. Anmeldung ist kostenlos und dauert nur eine Minute.
Bestehender Account
Schon ein Account bei Google/GoogleMail? Keine Anmeldung erforderlich!
Mit Google-Account einloggen
Noch kein Account? Hier anmelden.