Forum: Analoge Elektronik und Schaltungstechnik Keramikkondensator: AC Spannung bei DC-Angabe?


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von Martin (Gast)


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Hallo,

ich habe mal eine generelle Frage zu Keramikkondensatoren. Wenn im 
Datenblatt 250V DC spezifiziert wurden, mit welcher AC-Spannung (50 Hz) 
kann er dann maximal betrieben werden? Kann man den Wert einfach durch 
Wurzel 2 teilen?
250V / 1,414 = 176 V?

Oder ist AC und DC identisch, weil der Effektivwert der selbe ist?

: Verschoben durch Moderator
von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Martin schrieb:
> Oder ist AC und DC identisch, weil der Effektivwert der selbe ist?
Das mit dem Crest-Faktor und dem Spitzenwert ist dir geläufig?
https://de.wikipedia.org/wiki/Scheitelfaktor

> Kann man den Wert einfach durch Wurzel 2 teilen?
> 250V / 1,414 = 176 V?
Im Falle eines Sinus gilt dieser Ansatz.

> Oder ist AC und DC identisch, weil der Effektivwert der selbe ist?
Nein, weil nämlich bereits 1 einziger Impuls mit genügend hoher Spannung 
die Isolation durchschlagen kann. Und

Allerdings musst du beim Keramikmaterial aufpassen. Denn bei so hoher 
Spannung ist je nach Keramik die Kapazität des Kondensators evtl. 
deutlich geringer.

: Bearbeitet durch Moderator
von Martin (Gast)


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Lothar M. schrieb:
> Allerdings musst du beim Keramikmaterial aufpassen. Denn bei so hoher
> Spannung ist je nach Keramik die Kapazität des Kondensators evtl.
> deutlich geringer.

Das Keramikmaterial ist X7R

von Matthias S. (Firma: matzetronics) (mschoeldgen)


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Martin schrieb:
> Das Keramikmaterial ist X7R

Genau bei denen trifft das zu. Die Kapazität kann bei steigender 
anliegender Spannung deutlich abnehmen.

von Dergute W. (derguteweka)


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Moin,

Manche Kondensatoren sind noch so gross, dass man sowohl AC als auch DC 
max. Spannungfestigkeit in Klartext draufschreibt. Und da hab' ich so 
den Eindruck, dass sich beide oft ca. um den Faktor 2*sqrt(2) 
unterscheiden.
Vermutlich wird das auch fuer Kondensatoren gelten, die nicht so gross 
sind, dass man beides im Klartext draufschreiben kann. Wenn man auf der 
sicheren Seite sein will...

Gruss
WK

von Lothar M. (Firma: Titel) (lkmiller) (Moderator) Benutzerseite


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Dergute W. schrieb:
> Manche Kondensatoren sind noch so gross, dass man sowohl AC als auch DC
> max. Spannungfestigkeit in Klartext draufschreibt. Und da hab' ich so
> den Eindruck, dass sich beide oft ca. um den Faktor 2*sqrt(2)
> unterscheiden.
Das kommt aber meist von irgendwelchen Safety-Definitionen und betrifft 
idR. dann spezielle Prüfspannungen und -abläufe. Da kann so ein 
Kondensator dann je nach Vorschriftenlage einige ganz unterschiedliche 
Spannungswerte haben...

: Bearbeitet durch Moderator
von Karl B. (gustav)


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Hi,
ich sehe da bei der Feststellung der benötigten Spannung gewisse 
Probleme.
Oft ist ein Gleichspannungsoffset sehr hoch, zu dem dann noch eine 
Wechselspannung überlagert wird, so dass die Momentanwerte gewaltig 
abweichen können.
Beispiel Röhrenendstufe für 500V Anodenspannunng. Und die NF bei
Vollaussteuerung an der Primärseite des AÜ?
Nicht umsonst wohl hat einer der ominösen Kondensatoren den Namen 
Ausgangstrafo-Killer-Kondensator bekommen, vor allem, wenn er zu geringe 
Spannungsfestigkeit aufweist.

ciao
gustav

von Stefan (Gast)


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Dergute W. schrieb:
> Manche Kondensatoren sind noch so gross, dass man sowohl AC als auch DC
> max. Spannungfestigkeit in Klartext draufschreibt. Und da hab' ich so
> den Eindruck, dass sich beide oft ca. um den Faktor 2*sqrt(2)
> unterscheiden.

Das sehen Murata und Samsung Electro-Mechanics wohl auch bei ihren X7R 
SMD Kondensatoren so. Sie formulieren es in ihren Datenblättern etwas 
anders aber der Wert stimmt für sinusförmige Wechselpsannung überein:
Murata "When AC voltage or pulse voltage is applied, the peak-to-peak 
voltage shall not exceed the rated DC voltage."
Samsung: "For AC voltage or pulse voltage, the peak-to-peak value of AC 
voltage or pulse voltage should not exceed the rated voltage
of MLCC."

In diesem Murata Datenblatt zum GRJ32DR72E104KWJ1 finden sich diese und 
weitere Angaben auf Seite 8 unter Rating - 3.Applied Voltage
https://eu.mouser.com/datasheet/2/281/GRJ32DR72E104KWJ1_01-1978049.pdf

Im Samsung Datenblatt zu ihren MLCC Kondensatoren muss man bis zur Seite 
111 von 130 zum Abschnitt Caution/Notice - Electrical & Mechanical 
Caution - 2. Applied Voltage blättern
https://www.mouser.de/datasheet/2/585/MLCC-1837944.pdf

Beide Hersteller weisen zudem auf die Selbsterwärmung von DC 
spezifizierten Kondensatoren bei Wechsel- oder gepulster Spannung hin, 
die den Einsatzbereich dieser Kondensatoren weiter einschränken kann.

von Bratmaxxe (Gast)


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Kemet bietet dafür fürs ihre MLCCs einen online Plotter an. Da kannst du 
den Frequenzabhängigen zulässigen Esr und den Doppelstrom/Spannung 
anschauen. Theoretisch kannst du so für das entsprechende Dielektrikum 
was passendes raus suchen und musst nicht zwangsläufig was von Kemet 
nehmen. Schätzungsweise liegen die alle im einen ähnlichen Bereich bei 
identischen Dielektrikum.

von Bratmaxxe (Gast)


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Vergessen zu erwähnen, wie das OnlineTool heißt :)
Kemet K-Sim

von Stefan (Gast)



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Und auch Kemet K-Sim bestätikt den Faktor 2*sqrt(2).
Für den 100nF 250V X7R C1206C104KARAC bis etwa 1,8 kHz
https://ksim3.kemet.com/share/421726ee3bbe48c983bf185fd98a63c5

von Thomas C. (akapuma)


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Den Anhang von TDK finde ich hierzu ganz interessant. Ich hatte mir den 
mal runtergeladen und unter "wichtige Zettel" archiviert, leider finde 
ich den Originallink nicht mehr.

Gruß

akapuma

von Arno H. (arno_h)


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Blöde Frage: wie legt man gleichzeitig Vss einer Wechselspannung an den 
Kondensator bei einem Anschluss an 0 Volt?

Arno

von Stefan F. (Gast)


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Martin schrieb:
> 250V / 1,414 = 176 V?

Ja. Für 230V brauchst du einen 400V Kondensator, allerdings fehlen dir 
dann Reserven für Spannungsspitzen. Ich nehme für Netzspannung 1000V 
Folien-Kondensatoren, soweit es geht.

Wenn da ein relativ großer Widerstand in Reihe liegt (z.B. als Snubber) 
taugen auch 630V Kondensatoren.

In dem Zusammenhang sind die speziellen X1 und X2 Kondensatoren 
interessant, google mal danach.

von Manfred (Gast)


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Lothar M. schrieb:
> Dergute W. schrieb:
>> um den Faktor 2*sqrt(2)
> Das kommt aber meist von irgendwelchen Safety-Definitionen und betrifft
> idR. dann spezielle Prüfspannungen und -abläufe.

Das glaube ich nicht.
Ich sehe das ebenso wie Dergute W., zweimal_Wurzel_Zwei.

Stefan ⛄ F. schrieb:
> Für 230V brauchst du einen 400V Kondensator,

Mutig, sehr mutig und nicht ausreichend.

400V habe ich mal kurz im Testaufbau gemacht, um zu sehen, ob am Timer 
wirklich nur der Kondensator defekt ist. Eingebaut wurde der natürlich 
nicht und die Reparatur vertagt, bis ein passender X2 da war.

Der Kondensator lädt sich auf die Spitze von +325 Volt auf und genau in 
diesem Moment wird die Verbindung getrennt. Dann schalte ich wieder ein 
und erwische die Gegenphase, -325 Volt - dann sieht er 650 Volt, wenn 
auch nur für eine Halbwelle.

> allerdings fehlen dir dann Reserven für Spannungsspitzen.

Die Fraktion Gürtel + Hosenträger setzt besser 2kV-Typen ein.

> Ich nehme für Netzspannung 1000V Folien-Kondensatoren

Folie nehme ich auch, aber Typen, die für AC spezifiziert sind, 
vorzugsweise als X2 bekannt.

von Stefan F. (Gast)


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Manfred schrieb:
> Folie nehme ich auch, aber Typen, die für AC spezifiziert sind,
> vorzugsweise als X2 bekannt.

Was habe ich geschrieben? Look!

Stefan ⛄ F. schrieb:
> In dem Zusammenhang sind die speziellen X1 und X2 Kondensatoren
> interessant, google mal danach.

von Thomas C. (akapuma)


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X- und Y- Kondensatoren sind immer für Wechselspannung spezifiziert. 
Hiermit ist automatisch die gleiche DC-Spannung mit zertifiziert. Ein 
305V-AC-X2-Kondensator ist also nur für 305V DC zugelassen. Höhere DC 
Zertifizierungen sind möglich, allerdings völlig unüblich. Höhere 
DC-Angaben in Datenblättern ohne Zertifizierung sind möglich, allerdings 
wird das dann nicht mehr durch das Zertifikat abgedeckt.

Gruß

akapuma

von Manfred (Gast)


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Stefan ⛄ F. schrieb:
>> Folie nehme ich auch, aber Typen, die für AC spezifiziert sind,
>> vorzugsweise als X2 bekannt.
> Was habe ich geschrieben? Look!

Look by yourself, was Du geschrieben hast:
Stefan ⛄ F. schrieb:
> Ich nehme für Netzspannung 1000V Folien-Kondensatoren, soweit es geht.

Dass Du kurz drauf X1 und X2 als interessant erwähnst, macht es nicht 
besser.

Man nimmt am Netz keine 1000V-Folien-Kondensatoren, sondern für AC 
spezifizierte Typen.

Über 1000 Volt Typen können wir reden, wenn es um HF-Entstörmaßnahmen 
geht, dann aber keramische.

von DipTam (Gast)


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Manfred schrieb:
> Man nimmt am Netz keine 1000V-Folien-Kondensatoren, sondern für AC
> spezifizierte Typen.
>
> Über 1000 Volt Typen können wir reden, wenn es um HF-Entstörmaßnahmen
> geht, dann aber keramische.


Selten habe ich so einen geistigen Dünnschiss gelesen, hoffentlich 
glaubt
das keiner.

von Karl B. (gustav)


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Manfred schrieb:
> Über 1000 Volt Typen können wir reden, wenn es um HF-Entstörmaßnahmen
> geht, dann aber keramische.

Hi,
haber gerade ein älteres ATX-Netzteil (Pentium PC 233 MHz) 
ausgeschlachtet. Da sind tatsächlich 2 x 4,7 nF Folienkondensatoren als 
Y-Kondensatoren drin. Also ist dieses Funktion auch ohne 
Keramikausführung durchaus möglich.

ciao
gustav

von Thomas C. (akapuma)


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Das man für Netzanwendung - zumindest im professionellen Bereich - 
AC-Typen nimmt hat schon seinen Grund:

Mal angenommen man möchte einen Installationsschalter mit Relais oder 
einen Dimmer bauen. Möchte man ihn mit CE-Zeichen verkaufen, dann muß 
dieser nach der Produktnorm EN 60669-2-1 gebaut werden. Und diese 
fordert direkt am Netz (L/N) einen X1-Kondensator bzw. einen 
X2-Kondensator mit einer Impedanz oder Sicherung in Reihe.

Als Bastler kann man natürlich davon abweichen. Vor 20-30 Jahren hat man 
auch bei professionellen Produkten DC-Kondensatoren genommen. Nach der 
Dimensionierungsempfehlung von TDK (hatte ich angehängt) bräuchte man 
bei 230V x 1,1 = 253V maximaler Netzspannung einen Kondensator mit 2 x 
Wurzel(2) x 253V = 715V-Typ. Nächstgrößere Nennspannung wären 1000V.

Bei Folienkondensatoren stehen die AC-Werte in der Regel im Datenblatt. 
Beispiel KEMET R60 (angegebene Spannungen sind Nennspannungen):
630V DC = 220V AC
1000V DC = 250C AC
Auch hier käme man mit einem 630V-Typ nicht hin.

Gruß

akapuma

von Karl B. (gustav)


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Hi,
habe letztens noch 1000V-Kondensatoren an Händler zurückgeschickt,
weil der mir die als X2 unterjubeln wollte.
Wenn da nicht explizit der Aufdruck X2 drauf ist, ist es kein X2.

Es geht nicht nur um die Spannungsfestikeit alleine,
sondern um den anderen inneren Aufbau und andere Anforderungen der X2 
Kondensatoren.
Zitat:
"...Besondere Sicherheit gegen aktive und passive Entflammung
Sehr sicheres Regenerierverhalten bei gleichzeitig hoher 
Spannungsfestigkeit
Hoher Entstörungsgrad durch dämpfungsarmen Aufbau mit niedrigem ESR
Für Temperaturen bis +110°C
Konform RoHS 2011/65/EU

Anwendungsgebiete
Klasse X2 Funkentstörapplikationen zur Einhaltung der EMV-Bestimmungen
Netzparallelkondensator zwischen Phase/Nullleiter oder Phase/Phase
Allgemeine Anforderungen, Impulsspitzenspannung < 2,5 kV..."
/Zitat
Quelle:
https://www.wima.de/de/produkte/funk-entstoerkondensatoren/mp3-x2/

ciao
gustav

von Andrew T. (marsufant)


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Thomas C. schrieb:
> X- und Y- Kondensatoren sind immer für Wechselspannung spezifiziert.
> Hiermit ist automatisch die gleiche DC-Spannung mit zertifiziert. Ein
> 305V-AC-X2-Kondensator ist also nur für 305V DC zugelassen.

Hast Du da eine Quelle, vorzugsweise Norm?

Weil, ist von der Denke irgendwie strange logisch nachzuvollziehen: da 
bei 305V AC sinus schon  >> 305V DC entsprechen (täten)  wegen
Vpeak= 305*sqrt(2) ,-)

von Andrew T. (marsufant)


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Karl B. schrieb:
> Wenn da nicht explizit der Aufdruck X2 drauf ist, ist es kein X2.

Der Umkehrschluß gilt heutzutage leider auch nicht immer .-)

von Thomas C. (akapuma)


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Andrew T. schrieb:
> Hast Du da eine Quelle, vorzugsweise Norm?
>
> Weil, ist von der Denke irgendwie strange logisch nachzuvollziehen: da
> bei 305V AC sinus schon  >> 305V DC entsprechen (täten)  wegen
> Vpeak= 305*sqrt(2) ,-)

DIN EN 60384-14 = VDE 0565-1-1 (basierend auf IEC 60384-14)
Festkondensatoren zur Verwendung in Geräten der Elektronik –
Teil 14: Rahmenspezifikation – Festkondensatoren zur Unterdrückung 
elektromagnetischer Störungen, geeignet für Netzbetrieb

1.5.1
Wechselspannungskondensator
Kondensator, dessen Anwendung im Wesentlichen Netzwechselspannung 
vorsieht
Anmerkung 1 zum Begriff: Wechselspannungskondensatoren dürfen an 
Gleichspannungsnetzen betrieben werden, deren Spannung gleich dem 
Effektivwert der Bemessungswechselspannung des Kondensators ist.

Oder siehe auch hier: 
https://www.wima.de/de/produkte/funk-entstoerkondensatoren/mp3-x2/

Nennspannungen: 250V~, 275V~
Dauergleichspannung* (typisch): < 630V
(*) Bei einem Betrieb approbierter Entstörkondensatoren an einer 
Gleichspannung oberhalb der angegebenen Nennwechselspannung wird der 
Gültigkeitsbereich der zugrunde liegenden Zertifizierungen überschritten 
(IEC 60384-14).

Nicht alle geben es so fair und deutlich an wie WIMA!

Gruß

akapuma

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